Evil is alive and well
Die Friedhofsverwaltung hat die Öffnungszeiten der Bergmannfriedhöfe, nach einigen Tagen der Totalschließung, nun rapide verkürzt. Montags bis freitags ist das Areal nur noch bis 13.00 Uhr geöffnet, samstags und sonntags bis 18.00 Uhr. Auf diese Weise will man sich dem Corona-Notstandsregime des Berliner Senats willfährig erweisen.
Einst verstanden sich die christlichen Kirchen Europas als mächtige Bollwerke eines allmächtigen Gottes, heute versuchen sie sich als dienstbare Geister eines neoheidnischen Ersatzgottes: der modernen Massenmedien. Rufen diese zur kollektiven Corona-Hysterie auf, wollen jene nicht untätig beiseitestehen. Hieß es einst „Der Mensch denkt, Gott lenkt“ beschränkt man sich heute in postchristlichen Kreisen auf ein schlichtes „Der Staat wird schon wissen, was er tut“. Ja, und das kann wohl auch nicht falsch sein, wenn RBB, Tagesspiegel und -schau unisono dasselbe verkünden.
Nun hat Jacob Dylan, der Sohn des großen, auf dieser Website schon zitierten, Bob Dylan vor einigen Jahren in einem beachtenswerten Song auf folgendes hingewiesen: „Evil is alive and well“ (dt.: Das Böse/der Böse ist am Leben und es geht ihm gut.“) Manche erinnern sich vielleicht auch noch an Ivan Karamasow und wie er seinen Brüdern in einer der letzten Apotheosen des heute verpönten Frontalunterrichts erklärte, die größte Leistung des Teufels bestünde darin, die Welt von seiner Nichtexistenz überzeugt zu haben. Anderen könnte noch die Redewendung „Der Teufel liegt im Detail“ geläufig sein.
Bei einem solchen Detail kann es sich durchaus auch um eine scheinbar geringfügige Zeitplan-Veränderung handeln. So hatten beispielsweise die Berliner Verkehrsbetriebe das mit Corona, womit sonst, begründete Shutdown der hauptstädtischen Schulen als wirtschaftliche Chance genutzt: Bei Buslinien, die stark von Schülern frequentiert wurden, hatten sie den Zeittakt von 10 Minuten auf 30 Minuten herabgesetzt. Was zur Folge hatte, dass es auch ohne Schüler während der sogenannten „Stoßzeiten“ zu einer seltenen „Metapher-Konkretisierung“ kam. Die Leute stießen mit ihren verseuchten Corona-Körpern an- und gegeneinander als wären sie gerade einer Einladung des Bösen zur Walpurgis-Orgie auf dem Blocksberg gefolgt, klammerten sich mit viralen Fingern in die durchseuchte Kleidung der Mitreisenden, ließen sich bei den berühmt-berüchtigten BVG-Haltemanövern in vulnerable Körperregionen der anderen fallen als hätten sie . . . ja, als säße ihnen der Teufel im Nacken. Nach nur wenigen Tagen hatte der Berliner Volksmund sich auf die ihm nachgesagte „originelle“ Weise des Phänomens bemächtigt: Als „Corona-Express“ wurden diese denkwürdigen Personentransporte fortan bezeichnet. Was schließlich vom BVG-Management als Image-Schaden verstanden wurde und man eilends wieder die Fahrplanänderung kassierte.
Was also wird die Änderung der Öffnungszeiten auf den Bergmannfriedhöfen bewirken? Wissen können wir zunächst nur eins: Den Grundlagen der Logik, der Wahrscheinlichkeit und auch der Mengenlehre zufolge wird sie zu einer Steigerung der Besucherzahlen während der verbleibenden Öffnungszeiten führen. Damit ist, gerade in Corona-Zeiten, mit einer vermehrten viralen Durchseuchung der Friedhofsbesucher zu rechnen. Trotz aller menschlich-enttäuschenden Erfahrungen, die wir gegen unsere Intention in der Vergangenheit mit dem Führungspersonal der Evangelischen Landeskirche machen mussten, sträuben sich unsere postchristlichen Herzen mit Vehemenz gegen die Annahme einer bewussten Inkaufnahme einer Corona-Durchseuchung der Friedhofsbesucher durch die Evangelische Landeskirche. Dennoch möchten wir abschließend noch einmal auf den oben zitierten Dichter zurück kommen: „Evil is alive and well.“ Was sagen eigentlich Sie als Theologe dazu, Herr Doktor Gahlbeck?
H. P. / 8.4.20
Bergmannfriedhoefe.de – 14. April 2020 (als PDF öffnen)